UND JETZT?

Verfasst für die Radiosendung Zündfunk auf Bayern 2 im Rahmen der Reihe „Fernschreiber“
18.1.2009

 

Schade, dass Science Fiction sich nicht bewahrheitet hat. Als wir Kinder waren, beeinflussten sie uns mit realistisch wirkenden Filmen und Fernsehserien, in denen ein Leben auf weit entfernten Planeten das mindeste der Gefühle war. Vom Beamen, schwebenden Fahrzeugen und sonstigen übernatürlichen Errungenschaften ganz zu schweigen. Und jetzt? Ernüchterung. Wurde uns in den 70ern das Jahr 2000 als Schwelle zu einer tollen Zukunft verkauft, können wir genau 9 Jahre danach nur so viel sagen, dass 2000 letztlich zum Gegenteil davon geworden ist, nämlich zum Jahr, in dem Neokonservativismus, Fundamentalistenkack und Retrokult einen Aufschwung erlebten, der bis heute wirksam ist.
Und wir kriechen noch immer auf unserem mittlerweile asthmatischen Hausplaneten herum und produzieren weiterhin Abgase mit dieser altmodischen Erfindung von einem Auto. Und die bösen Mächte, die die Entwicklung von schadstofffrei herumschwebenden Gefährten verhindert haben, sitzen immer noch im Sattel und verhängen weltweite Rauchverbote. Was waren das für Zeiten, als in Raumschiffen, die durch ferne Galaxien glitten, Zigaretten geraucht wurden und sich im Blick von der Kommandobrücke der Zigarettenrauch mit dem Andromedanebel mischte.

Was noch? Finanzkrise. Auch das noch. Der Kapitalismus hat wie viele seiner Repräsentanten einen Bandscheibenvorfall erlitten und steht ganz schön krumm da. Schon lange viel zu hoch gepokert, wurde ja auch schon längst Casino-Kapitalismus genannt und wie es im Casino dann heißt, wenn einer mehr Gewinn gemacht hat als die überhaupt an Geld da haben im Casino: Dann heißt es nämlich: Die Bank wurde gesprengt. Nur haben im vorliegenden Fall die Bankiers selbst die Banken gesprengt und jetzt laufen sie zum Bürgermeister, Bundeskanzler und zum Präsidenten und flehen: Zu Hilf zu Hilf, gebt Geld her, die Arbeitsplätze, der Wohlstand, uuaa, soziale Unruhe droht, schnell, das Geld her, die Konjunktur, sie wird hin und ihr schauts zua. Und weil den Kanzlerinnen und Präsidenten im Gegensatz zu den Managern, die sich millionenabgefertigt in ihre Villa zurückziehen, das Scheitern so schwerfällt, müssen sie alles tun, damit sie nicht so blöd dastehen wie die Manager, neben denen sie dann dastehen und sagen müssen: Wir stehen heute hier, damit wir nicht so blöd dastehen. Und wir geben euch von unserem Staatsgeld, das wir hier noch haben, also wie viel braucht ihr denn jetzt? 3 Milliarden, 4 Milliarden, 40 Milliarden, egal, so viel ihr wollt, wenn nur, bitte, ihr wisst schon: die Arbeitsplätze und bitte keine Unruhen. Was wir wirklich nicht brauchen können, das sind Unruhen, noch dazu bei dieser ständigen Lebenszeitverlängerung. Da werden ja die Unruhen auch immer länger. Was wir brauchen ist Wachstum, aber kein Wachstum von Problemen. Interessant an diesem Casinocrash und seiner Reparatur ist ja zum Beispiel, dass es bislang immer als schwierigst bis unmöglich galt, das vergleichsweise mickrige Finanzierungsloch der Krankenkassen zu stopfen, aber, ohne zu zählen, werden Milliarden in das Loch der Banken gestopft.

Und was tut sich in den Politbüros der näheren Umgebung? In Bayern und in Österreich haben die im Herbst halbwegs gewählten Regierungen halbwegs unbemerkt ihre Tätigkeit wieder aufgenommen, wohingegen in den United States drüben Obama in ein paar Tagen das Weiße Haus übernimmt. Paint It Black. Drüben haben sie also die Neokonservativen endlich abgewählt, vielleicht wird das hier herüben ja auch noch werden.

Und musikalisch? Musikalisch kommt mir vor, kommt nichts daher, was nicht in ähnlicher Form schon da war, wenn zu unserer Erleichterung auch das, was daherkommt, leichter daherkommt, nicht so mit dieser überhitzten Kraft der Überzeugung, dieses: oh das ist meine Musik, mein Leben, meine Religion quasi, diese euphorischen, zugleich aber auch nervigen Überzeugungskraftelemente, die sind zurzeit anscheinend in Rente diese Elemente, macht aber nichts. Geht sich zurzeit einfach nicht aus. Zu viele Gleise, auf denen der Zug unterwegs ist. Wobei, klar gestehe ich hiermit, dass wir, seit wir Pop kennen, auch das grundsätzliche Charakteristikum von Pop wie allerdings auch der Werbe- und Unterhaltungsindustrie kennen: die Erwartung des Neuen, des Unerwarteten, Überraschenden, vorher nicht Dagewesenen. Was ja auch immer eine Veränderung des Blicks auf das vorher Geschehene mit sich gebracht hat. Sich daran zu gewöhnen, dass Techno Anfang der 90er das letzte große Neue des Pop gewesen sein soll bzw. dass wir uns jetzt mit der Verwaltung und Neuinterpretation der Popgeschichte begnügen sollen. Das kann´s aber auch nicht sein. Oder war´s eh immer so?

Und zusätzlich haben wir dabei noch ständig das Problem, dass wir von der Welt gern eine Vorstellung haben, die sie uns verständlicher erscheinen lässt als sie ist. Aber nachdem wir dieses Problem immer schon hatten, brauchen wir uns darüber aktuell nicht extra aufzuregen. Vielmehr geht’s so oder so wieder mal um die Frage: Wie sieht es mit Ansätzen aus, von denen aus wieder neu losgedacht werden kann? Und zwar jetzt. Jetzt gleich.

Und während sich einer mit derartigen Überlegungen beschäftigt, geht es rundherum schon längst wieder flott weiter und da kann es einem dann ganz schnell passieren, dass plötzlich jemand neben dir steht, dir auf die Schulter klopft und sagt: Und jetzt?