LEBENSFORM RHYTHMUS

Verfasst für die Radiosendung Zündfunk auf Bayern 2 im Rahmen der Reihe „Fernschreiber“
14.4.2009

 

Wenn es um so was wie Lebensform geht, dann hat das bei einem wie mir einiges mit Rhythmus zu tun und wenn sich der verliert, dann verliert sich auch die Form. Kann ja sein, dass der Rhythmus nur eine Illusion ist, mit deren Hilfe alles einfach nur etwas grooviger wirkt und doch würde ich sagen: Ich finde ihn gut, den riddim, die Sachen, die immer wieder kommen, die sich wiederholen, sekündlich oft wie beim Schlagzeugspielen, andere täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich, manche alle hundert Jahre nur. Und so gut mir das tut mit dem Rhythmus, so unmöglich ist es aber auch, ihn aufrecht zu erhalten. Also jeden Tag zur selben Zeit aufstehen. Geht nicht. Jeden Tag zur selben Zeit essen. Geht auch nicht. Also bei mir zumindest. Und wenn es ginge, ich kann nicht garantieren, wie lange mir das gefallen würde. Das ist Teil vom Rhythmus, dass sich Dinge ändern. Immer wieder ändert sich was und daraus ergibt sich über längere Zeit gesehen der Rhythmus. Beispiele: Ich kann mit Leidenschaft monatelang dasselbe Stück hören auf repeat und dann kann ich aber auch monatelang wieder kein Stück hören, das mit dem Stück, das ich monatelang auf repeat gehört habe, auch nur im Entferntesten etwas zu tun hat. Was ja auch wieder einen Rhythmus hat. Oder ich komme manchmal an einen Punkt, an dem ich es überhaupt nicht mehr aushalten kann, Musik mit dem mitteleuropäisch einbetonierten Grundrhythmus 1 2 3 4 zu hören. Da drehe ich durch, wenn mir das zu viel wird mit diesem quadratischen Europagrundmusterrhythmus. Und wenn du dann die Radiosender durchstepst, kommt aber auch auf einem jeden derselbe Grundrhythmus dahergeviertelt und wenn mir das zu viel wird, dann kann mir schlecht werden davon, was in dem Fall gar nicht schlecht ist, weil: Da muss ich dann eine komplett andere Musik hören, eine Musik, die überhaupt keinen Rhythmus hat oder einen vollkommen anderen, siehe Asien, damit sich mein Gesamtrhythmuszustand wieder halbwegs ausbalancieren kann. Oder wie ich mal in dem Attwengersong Herz geschrieben habe: da rütmus vo mein herz is wos grods und wos vakeads und waun des ned aso wa sondan afoch so lala. Also so lala, das geht auch nicht. Pepp braucht er schon, der Rhythmus. Und der Rhythmuswechsel erst. Aber Hallo.
Im Hintergrund dieser Überlegungen läuft ja hier vielleicht auch die Frage mit: Heißt Rhythmus nicht auch Regelmäßigkeit und ist nicht Regelmäßigkeit, wie oft gesagt wird, tödlich. Weil: Immer wieder dasselbe. Das hält ja niemand aus. Wenn es jetzt aber so ist, dass sich der Rhythmus aus einer Vielzahl von verschiedenen Sachen, die einfach so daherkommen, zusammensetzt, dann kann aber auch nicht davon gesprochen werden, dass es sich hier immer wieder um dasselbe handelt. Wobei wir an dieser Stelle natürlich auf die Gefahr der Neuigkeitssucht hinweisen müssen. Weil das läuft sich ja auch tot, immer nur durch Was Neues die Pumpe in Schwung zu halten. Oder? Und noch etwas ist vielleicht grundsätzlich wichtig, kommt mir vor, bei dieser Sache mit dem Rhythmus: Leichtes Gepäck. Wenn du nämlich mit leichtem Gepäck unterwegs bist, kannst du die Änderungen, die sich innerhalb vom Rhythmus abspielen, leichter mitmachen, mit schwerem Gepäck ist das viel schwieriger. Da bleibst du zwangsläufig eher beim Selben. Andererseits kann es dir mit zu leichtem Gepäck dann aber auch wieder passieren, dass du zu leicht wirst, dass du davonfliegst, dass nicht genug da ist, was dich am Boden hält und dann kann die Form sich auflösen und das kann ziemlich kontraproduktiv werden, obwohl, manchmal sich auflösen, den Rhythmus verlieren, Ruhe geben, vielleicht gar keine so unwichtige Angelegenheit für den Gesamtrhythmus, der hie und da auch mal unterbrochen werden möchte. Es gibt Wiederholungen und es gibt Unterbrechungen. Vielleicht sehe ich als Schlagzeuger und Reimschreiber jetzt alles etwas zu sehr aufs Rhythmische hin orientiert. Weil: Das Leben als solches ist ja nicht wirklich rhythmisch. Dafür kommt es mit viel zu viel verschiedenen Sachen daher. In dem Sinn kann die Devise fast nur heißen, sich auf die polyrhythmischen Gegebenheiten einzustellen und nicht stecken zu bleiben, wenn sich der eigene Rhythmus mal mit einem anderen oder mit sich selbst verhakt. Und wenn das passiert, dann ist das aber auch schon wieder Teil vom Rhythmus. Also weiterrocken, auch wenn es kracht gelegentlich.