Im Rhythmus durch Raum und Zeit
Eigentlich ist Markus Binder Drummer und spielt beim österreichischen Minimalisten-Duo „Attwenger“. Aber er ist auch Schriftsteller und hat mit „Teilzeitrevue“ einen Roman voller Momentaufnahmen veröffentlicht.
Ein Paar auf Langstreckenflug, im Zug, im Nachtleben und im Einkaufszentrum. Dieses übersichtliche Handlungsgerüst verwandelt „Attwenger“-Schlagzeuger und Autor Markus Binder mit Dialogen, Beobachtungen und Liedtexten in die schillernde Collage „Teilzeitrevue“ (Verbrecher-Verlag). Im Interview mit der Kulturredaktion erzählt er über dieses Projekt.
Woher stammt die Idee zu „Teilzeitrevue“?
Markus Binder: Ausgangspunkt war eine Mexikoreise im Jahr 2005, wo wir mit unserer Band Attwenger Konzerte in Mexico City, Guadalajara und Puerto Vallarta gespielt haben. Geschichten aus Mexiko und auch dessen historischem und aktuellem Verhältnis zu Europa bilden eine von mehreren Erzählebenen in diesem Buch und tauchen immer wieder auf, von der ersten bis zur letzten Seite. 2005 erschien auch mein erstes Buch, Testsiegerstraße, ein Erzählband mit Kurz- und Kürzestgeschichten. In Weiterführung dieses Werkes war mein Plan, ein Buch zu schreiben, dem ein thematischer Rahmen zugrunde liegt, wenn auch in zahlreiche Einzeltexte gegliedert.
Haben Sie diesen Roman am Stück geschrieben oder immer wieder mit neuen Gedankengängen ergänzt?
Ich habe 2005 an dem Buch zu arbeiten begonnen. Daran geschrieben bis 2011. Dann begonnen, das Textmaterial zu sortieren und arrangieren, Textteile zu streichen und neue hinzuzufügen, bis das Buch eine Form bekam, mit der ich zufrieden war. Dieser Prozess hat, parallel stattfindend zu meinen musikalischen Aktivitäten und auch mit gewissen Pausen, einige Jahre in Anspruch genommen. Aber ich habe ja Zeit.
Sie sind ein scharfer Beobachter, der gerne mit Worten spielt – nimmt ein Buch den Leser dabei besser mit als ein Songtext den Zuhörer?
Ich denke, ein Buch hat den Vorteil, dass diejenigen, die es lesen, ihre eigenen Bilder, Gedanken und im besten Fall sogar den Soundtrack dazu entstehen lassen können. Das finde ich auch das Faszinierende am Medium Buch: Du hast ein mit Buchstaben bedrucktes Bündel Papier in der Hand, das dich im gelungensten Fall dazu animieren kann, die wildesten Filme zu sehen und auf die abgefahrensten Gedanken zu kommen. Formal so simpel, inhaltlich aber mit allerhöchstem Inspirationspotential! Ein Songtext wird durch die Musik schon mal angeschoben bis überhöht. Und wenn das auch noch als Videoclip visualisiert wird, haben andere für dich schon all das erledigt, was du dir beim Buchlesen selbst ausmalen kannst. Wobei: Ich habe zehn Songtexte, die im Buch vorkommen, selbst gesungen und vertont und beim Münchner Label „Trikont“ als digitale EP veröffentlicht. Und für sieben dieser Songs auch Videoclips gemacht, nachzusehen unter: http://markusbinder.space/teilzeitrevuesongs-videos/
Wie wichtig ist der Rhythmus für Ihre spezielle Form der Prosa?
Rhythmus ist beim Schreiben genauso wichtig wie bei allen anderen Dingen im Leben. Nur hat das Schreiben, wie auch die anderen Dinge im Leben, seinen eigenen Rhythmus und diese rhythmischen Qualitäten von Sprache auszuhorchen, auszuloten und dabei eine spezifische Art des Umgangs mit Sprache zu entwickeln, das ist das, was mir beim Schreiben Spaß macht und mich antreibt, immer weiterzuschreiben.
Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie ein Konzert spielen oder als Schriftsteller Lesungen halten?
Das macht einen großen Unterschied! Der auffälligste ist der, dass ich im Gegensatz zu den Konzerten, die wir als Duo bestreiten, bei Lesungen alleine auftrete. Was zur Abwechslung auch mal ganz gut ist. Ein weiterer erheblicher Unterschied ist der, dass bei den Lesungen die Sprache die Hauptdarstellerin ist. Musik kommt bei meinen Lesungen aber auch vor. Fünf der oben erwähnten Teilzeitrevue-Songs singe ich live. Dabei unterstützt mich mein Handy, von dem aus der Sound abgespielt wird. Wenn ein Beamer vorhanden ist, laufen synchron dazu auch noch die jeweiligen Videos. So gesehen ein kleines Multimediaspektakel.
Von Anke Schäfer 29.9.2017