TEMPOÄNDERUNGEN Review MUH

 

Markus Binder: Tempoänderungen

Das Tempo halten. Eine wesentliche Aufgabe für den Menschen am Schlagzeug. Seit den 1990er
Jahren versieht Markus Binder diese Aufgabe bei Attwenger auf unnachahmliche Weise. Aber: Binder
ist eben nicht nur Musiker, sondern auch Autor. „Tempoänderungen“ ist der Titel seines neuen,
dritten Buches, nach „Testsiegerstraße“ und „Teilzeitrevue“. Der Autor Markus Binder hat darin
Freiheiten, die er als Schlagzeuger nicht hat: mal schreibt er schnell, mal gemächlich, viel in Prosa,
manches gereimt. Alle Texte sind kurz, von wenigen Zeilen bis hin zu ein paar Seiten. Es geht darin
um Wahrnehmung und Warten, um den Alltag, das Altwerden oder die Abhängigkeit vom
Mobiltelefon. Markus Binder ist ein genauer und kritischer Beobachter, egal ob er die Welt um sich
herum als Musiker, Reisender oder Städtebewohner wahrnimmt. Seine kurzen Texte stellt er gegen
all die Tweets, Ticker-Meldungen und Posts aus den elektronischen Medien. Dabei ist Markus Binder
von jedem Skandal-Sound, wie er etwa auf Twitter zu finden ist, weit entfernt.

Ein paar mal kommt er aus dem Takt, da greift er zum klassischen Paarreim, der auf Hochdeutsch viel
weniger Offenheit hat als in der Attwenger-Musik-Sprache. Aber über die wenigen Zeilen liest es sich
schnell hinweg. Die allermeisten Beobachtungen, Anekdoten und Notizen und Kurzgeschichten in
„Tempoänderungen“ sind eine große Freude beim Lesen, egal ob in Etappen oder am Stück. Wer
dieses Buch in der Tasche hat, kann das Smartphone getrost stecken lassen.

 

Thomas Kretschmer, März 2023