WAHL 08

Verfasst für die Radiosendung Zündfunk auf Bayern 2 im Rahmen der Reihe „Fernschreiber“
25.9.2008

 

Wenn die wählen würden, wie sie könnten, die Wahlberechtigten, was würden sie nur tun? Überlegen. Wählen sie, was sie wollen. Wählen sie richtig. Machen sie uns zu Auserwählten. Wählen sie jetzt. Wählen sie die Nummer neben ihrer Landesflagge. Oder wäre es nicht schon vor Jahren wichtig gewesen, die richtige Aktie zu wählen, denken sie doch nur jetzt, wo die Aktien reihenweise sterben wie nicht einmal 90-jährige Politiker. Was überlegen sie noch lange wegen diesem kleinen Kreuz in diesem kleinen Kreis, ihrem Wahlkreis, angesichts der Summe von 700 Milliarden Dollar, die an Steuergeldern aus ganz U.S.A. jetzt in die kaputtspekulierten Banken geschaufelt werden. Was sind da schon ein paar Millionen Kreuzchen? Noch dazu an einem Sonntag, wo in der Kirche sowieso schon einige Male das Kreuz gemacht wurde. Da geht das aber echt nebenbei und ganz easy. Und was ist schon so ein Kreuzlein im Vergleich zum täglichen Kreuz, das die Aktieninhaber zu tragen haben und dann bricht es ihnen erst wieder in der Mitte auseinander das ganze Kreuz, die Anlage, angelegt am globalen Kreuzweg, weltweites Leiden und Stöhnen, der Weg mit Dollars gepflastert, 700 Milliarden davon und das ist aber nur der aktuelle Notgroschen, damit nicht gleich das ganze Haus verkauft werden muss und der Grund noch dazu, wie es am Land in solchen Fällen gleich immer heißt. 700 Milliarden Kreuzerl, für jeden Dollar eines, das wär ne Menge, wie die Businessleute sagen würden, jedes Kreuzerl am Sonntag ein Gruß aus der Heimat an die Konzerne in der Ferne, die Aktienbesitzer geflissentlich in irgendeinem verwandtschaftlichem oder verwandtschaftsähnlichem Verhältnis zu einem von den Kreuzerln dazu ermächtigtem Politiker. Und selbst der Politiker hat sich Aktien besorgt, hat das auch öffentlich bekanntgegeben, auch nur ein Mensch, der sein Kreuz zu tragen hat, auch nur einer von 700 Milliarden oder wie viele sind wir eigentlich und wie sollen wir uns organisieren? Darüber unterhalten wir uns oder vielmehr lassen uns unterhalten, irgendeine Unterhaltung muss ja sein bis zum Sonntag und wie unterhaltsam ist es erst in Österreich, wo es einen Kanzler gibt, den Gusenbauer, dem sie vor Monaten schon gesagt haben, dass er jetzt endlich mal aufhören soll damit, Kanzler zu sein und jetzt hat er zwar immer noch seinen, wie er früher immer dachte, Top-Job Kanzler von Österreich, aber bei den Wahlen am Sonntag gibt es ihn gar nicht mehr zu wählen, weil niemand mehr was mit ihm zu tun haben will. Er macht den Kanzler nur mehr, weil er übriggeblieben ist auf seinem verlorenen Posten, vergessen an höchster Stelle, kaltgestellt und ausrangiert, 2 Jahre waren ihm zu viel geworden, sein Nachfolgerchen ist schon plakatiert. Und der Nachfolger-Kanzler wird bestimmt länger bleiben wollen, oben, auf dem Gipfel des österreichischen Kanzlertums, oben beim Gipfelkreuz, dem Gipfelkreuzchen, das sie auf den Gipfel des Alpenbergs hingestellt haben. Was bleibt jetzt den Wahlberechtigten also anderes übrig, wenn der Kreuzerl-Sonntag dahergekommen ist? Sie können machen, was sie wollen und schon sind sie am Kreuzweg, gepflastert mit der Defizitkohle des Immobilienwesens, der Kreuzweg, der sich Schritt für Schritt unweigerlich zum Kreuzerlweg wandelt, zum Boulevard für verantwortungsbewusste Analphabeten – leisten sie ihre Unterschrift auf dem Kreis vor dem Hintergrund von – sie werden schon sehen, was kommt – wählen sie – beeinflussen sie ihre Zukunft. Aber lassen sie sich, in Gottes Namen, nichts andrehen. Wählen sie richtig. Individuell. – Und verwählen Sie sich nicht.